Gut gesteuert

Die Abteilung Tageseinrichtungen für Kinder hat die Kitas im ersten Lockdown sicher durch das Chaos zwischen Notbetreuung und Teilöffnung navigiert

Frau Herweg, am 13. Mai wurde die Schließung von Kitas und Schulen verkündet. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Dorothea Herweg: Die Welle rollte langsam auf uns zu und wurde immer größer. Etwa ab Mitte Februar gab es die ersten positiv getesteten Covid-19-Fälle in Nordrhein-Westfalen, ab Anfang März wurden erste Kitas unter Quarantäne gestellt und befristet geschlossen. Am Freitag, 13. März, verkündete Ministerpräsident Armin Laschet dann mittags die Schließung aller Schulen und Kindertageseinrichtungen ab dem folgenden Montag. Von einer geplanten Notbetreuung hörten wir erstmals am späten Nachmittag in einer E-Mail aus dem Familienministerium. Im Laufe des Wochenendes erreichten uns allein fünf Fachempfehlungen mit Regeln für die Notbetreuung. Mir war es wichtig, diese E-Mails nicht einfach ungefiltert an die Kita-Leitungskräfte und Trägerverantwortlichen weiterzugeben, sondern die Informationen in unserem Kitaletter, einem Newsletter, aufzubereiten. Es ist uns stets gelungen, dass die Informationen unser Haus immer nach ein bis zwei Stunden wieder verlassen haben, darauf sind wir stolz.

Die Regeln und Vorgaben wurden dann immer wieder angepasst.

Dorothea Herweg: Ja, in diesem Tempo ging es weiter. Die Bedingungen für den Zugang zur Notbetreuung beispielsweise wurden ständig angepasst. Anfangs mussten beide Elternteile in einem systemrelevanten Beruf arbeiten, später reichte es, wenn dies bei einem Elternteil der Fall war. Mit der Zeit kamen immer mehr Berufsgruppen hinzu. Regeln gab es auch für die Betreuung, für Settings und Personal: Die vom RKI als besonders gefährdet eingestuften Personengruppen, die sogenannten Risikopersonen, durften nicht mehr im direkten Kontakt mit den Kindern eingesetzt werden.

Wie funktionierte aus Ihrer Sicht die Kommunikation mit der Politik?

Dorothea Herweg: Grundsätzlich war die Steuerung von der Landesebene aus sinnvoll und das Ministerium bemüht, sich mit uns und anderen Verantwortlichen abzustimmen. Als problematisch habe ich aber den stets sehr kurzfristigen Informationsfluss empfunden. Oft kamen neue Vorgaben spät abends oder am Wochenende, es wurde jedoch erwartet, dass sie in kürzester Zeit umgesetzt wurden, zum Beispiel von Samstag auf Montag. Manche Vorgabe war dabei mit heißer Nadel gestrickt, auch mal widersprüchlich und nicht immer in Gänze durchdacht. Manche Empfehlung hielt nur wenige Tage, bis eine Korrektur kam.

Als die Kitas schließlich wieder geöffnet wurden, war auch dieser Prozess sicher wieder von vielen Regeln begleitet?

Dorothea Herweg: Ab dem 21. April, der Woche nach den Osterferien, sind wir in eine zweite Phase übergegangen, in eine stufenweise Wiederaufnahme der Betreuungsangebote. Die Zugangsbedingungen zur Notbetreuung wurden noch einmal erweitert. Es gab fortlaufend neue Leitlinien für die Ausgestaltung der Öffnung, Empfehlungen für Betreuungsumfänge und -settings. Ab Ende Mai durften zunächst alle Vorschulkinder wieder in die Kita und in einer dritten Phase, ab dem 8. Juni, dann alle Kinder in einen eingeschränkten Regelbetrieb mit reduziertem Betreuungsumfang. Ab dem 17. August sind wir schließlich wieder in einen Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen gestartet. 

Diese Rückkehr zu einem Stück Normalität war für alle Mitarbeitenden eine große Erleichterung. Eine Freude, endlich wieder mit den Kindern arbeiten zu können – und sich nicht täglich nach neuen Vorgaben des Ministeriums ausrichten zu müssen. Auch die Kinder waren begeistert und haben sich schnell wieder eingewöhnt.

Wie sah Ihr Arbeitsalltag und der Ihrer Mitarbeitenden in dieser heißen Phase aus?

Dorothea Herweg: Wenn ich auf diese sehr herausfordernde Zeit zurückblicke, waren die Krisenkommunikation und das damit einhergehende Informationsmanagement ein zentraler Aspekt unserer Arbeit. Als Abteilungsleiterin oblag es mir, den Informationsfluss sicherzustellen und mit dem Erzbischöflichen Generalvikariat abzustimmen. Vom 13. März bis zum Beginn der Sommerferien war ich an sieben Tagen die Woche im Einsatz, oft bis in die späten Abendstunden hinein. Auch die Kolleginnen in der Sachbearbeitung haben in Früh- und Spätschichten gearbeitet, um mich zu unterstützen, zusätzlich wurden an manchen Wochenenden Rufbereitschaften eingerichtet. Daneben liefen die Telefone der zehn Fachberaterinnen und Fachberater heiß. Es galt, Fragen der Praxis zur Umsetzung von immer neuen Vorgaben zu beantworten. Aber auch der Umgang mit eigenen Ängsten und Sorgen der Leitungskräfte vor einem erhöhten Ansteckungsrisiko erforderte viel Empathie und Zuspruch. Aus der Praxis kam sehr viel Lob für unsere Erreichbarkeit und die Krisenkommunikation. Gerade auch der regelmäßig erschienene Kitaletter habe Verlässlichkeit aufgebaut, hieß es.

Was glauben Sie, was erwartet die Kindertageseinrichtungen in nächster Zeit?

Dorothea Herweg: Die Politik hat den Familien mittlerweile eine Bildungs- und Betreuungsgarantie gegeben: Schulen und Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen sollen nicht noch einmal flächendeckend schließen. Ich denke, dass uns auch die nächste Zeit angesichts wieder steigender Infektionszahlen noch einiges abverlangen wird. Ich prognostiziere, dass – je nach Inzidenzwert – regional auch wieder Betretungsverbote mit Notbetreuung denkbar sein werden. Sorge bereitet mir auch die Überlastung der Gesundheitsämter, die nicht mehr zeitnah auf Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen reagieren können. Das Infektionsgeschehen ist aktuell sehr dynamisch und das Familienministerium hat bereits wieder um einen engeren Austausch gebeten, damit wir abgestimmt reagieren können.


(*Das Gespräch hat im Oktober 2020 stattgefunden.) 

Dorothea Herweg, Leiterin der Abteilung Tageseinrichtungen für Kinder

Gemeinsam durch die Krise

Im Corona-Lockdown mussten Häuser der Altenhilfe plötzlich um Schutzausrüstungen kämpfen und Besuchsverbote erlassen.

Frau Maqua, 2020 hat für die Einrichtungen der Altenhilfe nie geahnte Herausforderungen gebracht. Können Sie sich noch erinnern, wie alles begann?

Helene Maqua: Im Februar hatten wir noch Karneval gefeiert, danach ging es Schlag auf Schlag. Anfang März mussten erste Einrichtungen der Altenhilfe schließen, Mitte März kam die erste Corona-Schutzverordnung. Für die Häuser bedeutete das: Niemand durfte mehr rein oder raus. Das war eine Riesenherausforderung, man konnte die Bewohnerinnen und Bewohner ja nicht einfach einsperren. Das Besuchsverbot verschaffte den Häusern aber auch etwas Luft in dieser ersten Phase der Unsicherheit. Die Mitarbeitenden haben das zu allen Zeiten gut aufgefangen. Von den Beiräten haben wir die Rückmeldung bekommen, dass sich die älteren Menschen in den Einrichtungen jederzeit sicher gefühlt haben. Darin bestand der große Unterschied zu den Kitas: Während diese die Kinder nach Hause schicken mussten, waren die Menschen ja die ganze Zeit da – und gehörten zur höchst vulnerablen Gruppe.

Was man schon fast vergessen hat: Sie standen plötzlich vor dem Problem, dass es kaum noch Schutzausrüstung gab.

Helene Maqua: Ja, das war eine große Herausforderung. Man kann schon fast von einem „Kampf um Schutzausrüstung“ sprechen. Plötzlich war kaum noch etwas zu bekommen – weder Desinfektionsmittel noch Handschuhe oder Masken. Für das, was auf dem Markt war, stiegen die Preise unaufhörlich. Die Träger wussten zunächst nicht, ob sie diese Mehrkosten je refinanziert bekämen. Erst später gab es den Rettungsschirm. Bei uns gingen sehr viele Angebote zu Schutzmaterial ein und wir haben Listen mit seriösen Anbietern erstellt. Auch das Ministerium hat sich eingeschaltet und Dinge eingekauft. Wir haben gelernt: Wir brauchen da eine andere Form der Vorratshaltung!  

Das oben erwähnte Besuchsverbot bewegte viele Menschen, und es tat sich da ja bald etwas.

Helene Maqua: Die Wende kam Anfang Mai, als NRW-Gesundheitsminister Laumann die Öffnung ab dem Muttertagswochenende verkündete. Der Minister hatte mit seiner Hartnäckigkeit für dieses Thema gekämpft. „Wir dürfen die Menschen nicht isolieren, wir müssen das mit guten Hygienekonzepten lösen“, so sein Ansatz. Auf die Einrichtungen kam in der Folge ein umfangreiches Besuchsmanagement zu: sichere Besuchssettings schaffen, Listen führen, Termine koordinieren. Ab Mitte Juni wurden die Regelungen dann weiter gelockert.

Sie erwähnten den Minister. Wie lief die Kommunikation mit der Politik?

Helene Maqua: Wir waren Vermittler zwischen der Politik und den Einrichtungen. Eine Herausforderung war es, wenn wir wussten: Es kommt am Freitag- oder Samstagabend wieder eine neue Verordnung, und die Informationen müssen zeitnah weitergegeben werden. Über die LAG standen wir in regem Austausch mit dem Ministerium und haben da zu einer guten Kommunikation gefunden. Uns allen war klar: „Wir haben eine Krise und müssen einen gemeinsamen Weg finden.“ Natürlich sind auch Fehler passiert, so hätten die Reihentests für Pflegekräfte früher kommen müssen. Wir alle mussten viel lernen und haben auch viel gelernt.

Der Wille, Heime wieder zu öffnen, auf der einen Seite und das Einhalten von Hygieneregeln auf der anderen Seite – das bot sicher Raum für Spannungen, oder?

Helene Maqua: Träger und Leitungen mussten immer abwägen, was sie zulassen konnten, und gleichzeitig waren sie Anfeindungen von außen ausgesetzt. So gab es die Forderung, weiter zu öffnen, andererseits aber vereinzelt auch Beschwerden von Angehörigen wegen angeblicher Verstöße gegen Hygienekonzepte. Das waren zwar Einzelfälle, aber es hat zu Verunsicherung geführt und sicher nicht dazu beigetragen, dass zügig Lockerungen der Besuche in den Einrichtungen umgesetzt wurden. Als großer Affront wurde seitens der Träger der Altenhilfe ein Bericht des Fernsehmagazins „Report Mainz“ aus dem August empfunden, in dem der Eindruck vermittelt wurde, als seien in den Heimen während der Zeit der Besuchsverbote quasi rechtsfreie Räume entstanden.

Aus Krisensituationen geht ja auch oft Positives hervor.

Helene Maqua: Ja, wir haben eine zunehmende Solidarität der Träger untereinander erlebt. Es wurden Einkaufsgemeinschaften gegründet, Personal wurde ausgetauscht. Ich denke, dass davon etwas bleibt. In den Einrichtungen haben die Mitarbeitenden von Anfang an versucht, kreative Lösungen zu finden: Als Besuche verboten waren, haben sie das Skypen mit den Angehörigen ermöglicht, Gottesdienste wurden kurzerhand draußen abgehalten. Und auch bei vielen Bewohnerinnen und Bewohnern hat die außergewöhnliche Situation Kräfte und Kreativität freigesetzt. Da wurden Spiele-Runden ins Leben gerufen, oder man las sich vor. Andere nähten Masken und brachten sie in die Einrichtungen. In einem virtuellen Beiratstreffen, das wir kürzlich abgehalten haben, haben mir die Teilnehmenden gesagt: Wir waren wieder auf uns selbst gestellt, auf eigene Interessen und Fähigkeiten, das hat gutgetan.

Ihr Ausblick in die Zukunft?

Helene Maqua: Wenn es jetzt wieder zu Einschränkungen käme, wären wir auf jeden Fall besser vorbereitet als beim ersten Lockdown. Vieles ist inzwischen eingeübt, an vieles hat man sich gewöhnt.


(*Das Gespräch hat im Oktober 2020 stattgefunden.) 

Helene Maqua, Leiterin der Abteilung Altenhilfe

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